374 Ja-Stimmen, 235 Nein-Stimmen und 19 Enthaltungen in Straßburg – das Ende langer Diskussionen um das EU-Lieferkettengesetz. Vor wenigen Stunden hat das EU-Parlament das Gesetz, das die europäischen Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten verpflichtet, angenommen. Das Ziel des Gesetzes ist es, Unternehmen, die von Menschenrechtsverletzung wie Kinderarbeit oder Zwangsarbeit profitieren, zur Rechenschaft zu ziehen. Darüber hinaus bilden Berichte, die das Geschäftsmodell des Unternehmens mit dem Ziel vereinen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, einen Teil des Gesetzestextes.
Die Diskussionen um den Gesetzesentwurf gehen allerdings nicht spurlos vorüber: Europa bekommt ein deutlich abgeschwächtes Lieferkettengesetz. Ursprünglich sollte es für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von über 150 Millionen Euro im Jahr gelten. Der beschlossene Gesetzestext nimmt dagegen Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro Jahresumsatz in die Pflicht, und auch das erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5. 000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, nach vier Jahren sinken die Grenzen auf 4. 000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz.
Schärfer als das deutsche Lieferkettengesetz ist es dennoch, da es die Sorgfaltspflicht entlang der gesamt Lieferkette, von Subunternehmer zu Subunternehmer, vorsieht. Einer der größten Unterschiede ist außerdem die Haftbarkeit. Im Gegensatz zum deutschen Gesetz lässt das EU-Lieferkettengesetz zu, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar gemacht werden können.
Für die Überprüfung der Gesetzeseinhaltung sollen die EU-Staaten Aufsichtsbehörden benennen, die in Zukunft einen genauen Blick auf Unternehmen haben werden. Diese werden zudem auch Strafen gegen Unternehmen verhängen können, wenn diese sich nicht an die Vorschriften halten. Es können Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens fällig werden.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das Vorhaben trotz der Abschwächung kritisch. Die Änderungen seien zwar positiv zu bewerten, bliebe die EU-Lieferkettenrichtlinie auch in der angenommenen Form „wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen”, wird der DIHK-Präsident Peter Adrian in der Meldung von ZDFheute zitiert. Rechtsunsicherheit bestehe weiter.
Trotz der Kontroversen im Verhandlungsprozess stellt das EU-Lieferkettengesetz einen wichtigen Schritt in Richtung der Stärkung der Menschenrechte dar. Es bleibt abzuwarten, wie effektiv es in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Auswirkungen es auf die betroffenen Unternehmen haben wird.
Mehr Informationen gibt es hier:
Tagesschau: EU-Parlament stimmt für Lieferkettengesetz
ZDF: Was das EU-Lieferkettengesetz bedeutet
N-TV: Vorhaben abgeschwächt: EU-Parlament stimmt für aufgeweichtes Lieferkettengesetz